Fakten zu minderjährigen Soldat*innen in der Bundeswehr

  • Die Bundeswehr hat seit 2011 fast 20.000 17-jährige Jungen und Mädchen als Soldat*innen rekrutiert, im Jahr 2023 waren es 1.996 (davon 315 Mädchen), ein Anstieg von 13% gegenüber 2022. Musterungen und Vertragsgespräche über langjährige Soldatenverträge finden schon mit 16-Jährigen statt.
  • Nach der Definition der von Deutschland und 112 anderen Ländern unterzeichneten Pariser Prinzipien (2007) der Vereinten Nationen handelt es sich bei diesen minderjährigen Bundeswehrsoldatinnen um Kindersoldatinnen (minderjährige Mitglieder bewaffneter Gruppen oder Armeen).
  • Die 17-jährigen Soldat*innen erhalten bei der Bundeswehr dasselbe militärische Training wie Erwachsene und werden häufig mit diesen zusammen untergebracht, der gesetzliche Jugendschutz und das Jugendarbeitsschutzgesetz werden dabei nicht eingehalten. Die einzigen Unterschiede zu Erwachsenen: Sie werden vor der Volljährigkeit nicht in Auslandseinsätze geschickt und machen keinen bewaffneten Wachdienst.
  • Die minderjährigen Soldat*innen sind in der Bundeswehr erheblichen Risiken ausgesetzt: Es kommt immer wieder zu schweren Kinderrechtsverletzungen (sexuelle Gewalt, erniedrigende Behandlung, körperliche und seelische Schäden (Unfälle, Depressionen, psychische Störungen, Suizide),…). Dies belegen u.a. Daten aus dem Jahr 2021 aus dem Verteidigungsministerium (Antwort auf Fragen des Abgeordneten Frank Heinrich), Interviews mit minderjährigen Soldaten und zahlreiche Medienberichte sowie Informationen aus den Jahresberichten der Wehrbeauftragten.
  • Von 2018-2020 wurden bei der Bundeswehr laut Verteidigungsministerium 17 Fälle von sexueller Gewalt gegen minderjährige Soldat*innen gemeldet. In fast einem Drittel der Fälle waren Vorgesetzte tatverdächtig.
  • Nach den offiziellen Jahresberichten der Wehrbeauftragten des Bundestags waren in den Jahren 2017-2021 minderjährige oder gerade volljährig gewordene Rekruten und Rekrutinnen bei der Bundeswehr von sexuellem Missbrauch, Vergewaltigung und demütigenden sexualisierten Aufnahmeritualen betroffen (z.B. nackt an der Stange tanzen).
  • Nur 46 Armeen weltweit rekrutieren noch minderjährige Soldat*innen, 151 Länder verzichten darauf, darunter 24 NATO- und 21 EU-Länder. Nur drei EU- / NATO-Staaten rekrutieren noch Minderjährige systematisch und in großen Zahlen (mehr als wenige hundert): USA, Großbritannien und Deutschland. Armeen und bewaffnete Gruppen in Kriegsgebieten, die Kinder als Soldat:innen rekrutieren, rechtfertigen diese Praxis auch mit Verweis auf die Rekrutierung von Minderjährigen in diesen drei Ländern.
  • Deutschland schwächt damit wesentlich den internationalen 18-Jahre-Rekrutierungs-Standard (Straight 18). Dessen Einhaltung fordern seit langem der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes in seinen Empfehlungen an Deutschland (2008, 2014, 2022), die UN-Sonderbeauftragte für Kinder in bewaffneten Konflikten, die Fraktionen der SPD (Positionspapier 2017) und von Bündnis 90 / Die Grünen, die Kinderkommission des Bundestages, viele Bundestagsabgeordnete aller Parteien, die Wehrbeauftragte, Soldat:innen, Gewerkschaften, Organisationen aus den Bereichen Kinder- und Menschenrechte, Frieden und Kirchen und viele Prominente. Auch im Koalitionsvertrag ist das Thema verankert.
  • Der NATO-Staat Schweden hat Deutschland Ende 2023 im sog. UPR-Verfahren im UN-Menschenrechtsrat offiziell aufgefordert, das Rekrutierungsalter für Soldat:innen der Bundeswehr auf 18 Jahre anzuheben – denn auch die große Mehrheit der NATO-Staaten (24) hält „Straight 18“ ein.
  • Die Zahl strafbarer sexueller Übergriffe, die von der Bundeswehr registriert wurden, hat sich von 2015 (86) bis 2022 (357) mehr als vervierfacht – wie viele der Betroffenen minderjährig sind, wird nicht veröffentlicht.
  • 2017 & 2018 gab es bei Bundeswehrmärschen wegen Fehlverhalten von Vorgesetzten und übertriebenem militärischen Drill unter jungen Rekruten mehrere Schwerverletzte und einen Todesfall.
  • Selbst bei solch schwerwiegenden Rechtsverletzungen nennt die Bundeswehr das Alter der Soldat*innen nicht. Es gibt bisher keine Bundeswehr-Studien oder Evaluierungen der Situation minderjähriger Soldatinnen.
  • Ein großer Teil der minderjährigen Soldat*innen brechen ihren Dienst bei der Bundeswehr vorzeitig ab oder werden gekündigt: Alleine im Jahr 2017 hat die Bundeswehr 840 Soldatinnen und Soldaten gekündigt, die als Minderjährige ihren Dienst angetreten hatten. Fast ein Drittel (zwischen 26 und 30%) aller eingestellten minderjährigen Soldatinnen brachen in den Jahren 2015-2019 und 2022 ihren Dienst schon in den ersten 6
    Monaten (Probezeit) wieder ab > Lose-Lose-Situation für Bundeswehr und Rekrut*innen
  • Freiwilligkeit ist nach den ersten sechs Monaten nicht mehr gegeben: Minderjährige Soldat*innen bzw. ihre Erziehungsberechtigten unterschreiben oft langjährige Soldatenverträge (teils über 10 Jahre). Diese können nach der sechsmonatigen Probezeit nicht gekündigt werden (im Gegensatz zu zivilen Verträgen). Minderjährige, die nach der Probezeit den Dienst beenden wollen und nicht mehr zum Dienst erscheinen, werden disziplinarisch bestraft (wochenlange Inhaftierung in Arrestzellen,…). Damit verstößt Deutschland gegen das Freiwilligkeitsgebot des Zusatzprotokolls der Kinderrechtskonvention (OPAC).
  • Die Bundeswehr wirbt direkt und zum Teil personalisiert bei Minderjährigen, z.B. mit personalisierten Postkarten, bei der Jugendmesse „You“ oder der „Gamescom“ (Computerspielmesse), in sozialen Medien und mit teuren Youtube-Serien.
  • Werbung und Informationen der Bundeswehr sind einseitig, Risiken des Soldat-Seins wie Traumatisierung, Verletzung und Tod werden praktisch nicht erwähnt, stattdessen liegt der Fokus auf positiven Aspekten wie Teamwork, Abenteuer, guter Bezahlung und Karrieremöglichkeiten

Faktenpapier Umsetzung von Straight-18 in DeutschlandHerunterladen

Bundeswehr & Minderjährige: Vortrag terre des hommes aus Februar 2024Herunterladen

Appell an Verteidigungsminister Pistorius (Mai 24)Herunterladen

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