Die Bundeswehr wirbt um Kinder

Die Bundeswehr benötigt jährlich rund 20.000 neue Rekruten. Um diese Zahl zu erreichen, werden die Werbemaßnahmen stark ausgeweitet und jedes Jahr Minderjährige als Soldaten rekrutiert: 2022 waren es 1.773 17-Jährige, darunter 327 Mädchen, ein Anstieg um 43% gegenüber dem Vorjahr. Diese erhalten dieselbe militärische Ausbildung an der Waffe wie erwachsene Soldaten und werden dann oft schon bald nach Erreichen der Volljährigkeit in Auslandseinsätze geschickt. In den letzten zehn Jahren hat die Bundeswehr mehr als 17.000 Minderjährige als Soldat*innen rekrutiert.

Der gesetzliche Jugendschutz gilt nicht mehr: Die Mädchen und Jungen werden gemeinsam mit erwachsenen Soldaten untergebracht, sie haben dieselben Arbeitszeiten, besondere Schutzmaßnahmen gegen Mobbing oder Übergriffe gibt es nicht – obwohl laut einer Bundeswehr-Studie mehr als die Hälfte aller Soldatinnen in der Bundeswehr sexuell belästigt wurden und etwa jede Dreißigste Opfer sexuellen Missbrauchs wurde (Quelle: Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, 2014).

Von 2018-2020 wurden in der Bundeswehr 848 Fälle von „Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung oder sonstige Formen sexueller Belästigung“ gemeldet. Von dieser sexuellen Gewalt waren alleine in diesen drei Jahren mindestens 17 Minderjährige betroffen, in 5 dieser Fälle richtete sich der Tatverdacht gegen Vorgesetzte. Auch andere Risiken sind hoch: Über ein Fünftel aller Soldatinnen und Soldaten ohne Auslandseinsatz leiden an psychischen Erkrankungen, und alleine in den drei Jahren von 2018-2020 verzeichnete die Bundeswehr 167 Suizidversuche und 50 vollendete Suizide – darunter war auch ein minderjähriger Soldat (Quelle: Antwort des Verteidigungsministeriums auf eine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Frank Heinrich).

Die Bundeswehr wirbt zunehmend bei Kindern und Jugendlichen, gezielt und einseitig: Vor Corona erreichten allein die Jugendoffiziere und Karriereberater der Bundeswehr jedes Jahr an Schulen mehr als 400.000 Schüler, darunter auch Kinder von gerade einmal elf Jahren. Viele weitere Mädchen und Jungen werden auf Messen, bei Kasernenbesuchen oder Abenteuerevents erreicht. Doch die Werbung für Militäreinsätze widerspricht den Prinzipien der UN-Kinderrechtskonvention, die auch Deutschland unterschrieben hat. Die darin verbrieften Kinderrechte gelten für alle unter 18-Jährigen. Der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes und die Kinderkommission des Deutschen Bundestages fordern die Bundesregierung seit langem auf, das Eintrittsalter in die Bundeswehr auf 18 Jahren anzuheben und jede Militärwerbung bei Kindern und Jugendlichen zu verbieten.

Auch über Jugendmedien und Social Media versucht die Bundeswehr, Nachwuchs zu werben. Viele Jugendliche lassen sich von guten Gehältern, festem Job, kostenlosem Studium und anderen Vergünstigungen der Bundeswehr locken. Die Risiken wie Trauma, Tod oder Verwundung werden in Schulvorträgen, Werbespots und Materialien der Bundeswehr gar nicht oder nur am Rande erwähnt. Youtube-Serien und Werbeaktionen wie die »Bundeswehr Adventure Games« oder »BW Beachen« betonen stattdessen Abenteuer, Spaß, Sport und Teamarbeit, reale Einsatzbilder fehlen oft komplett.

Die Bundeswehr investiert immer stärker in Nachwuchsanwerbung. Die Kosten dafür haben sich innerhalb von zehn Jahren von 3,8 Millionen Euro auf 35,5 Millionen Euro fast verzehnfacht.

Die Entscheidung über die Einladung von Soldaten in den Unterricht liegt allein bei der Schule. Schüler, Eltern und Lehrkräfte können sich in Lehrer- und Schulkonferenzen und über die Schüler- und Elternräte dagegen aussprechen – Unterstützung bieten die „Muster-Leitlinien für Schulen“ von terre des hommes. Auch können Eltern für ihre Kinder Ersatzunterricht beantragen, wenn Bundeswehrsoldaten in die Klasse kommen.

Außerdem gibt es auf lokaler Ebene immer mehr Initiativen gegen die Bundeswehr-Werbeoffensive und auf Bundesebene seit 2019 die Kampagne „Unter 18 Nie! Keine Minderjährigen in der Bundeswehr“. terre des hommes ist einer der Initiatoren und Sprecher der Kampagne. Die 12 Trägerorganisationen, darunter terre des hommes, die GEW (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft), Pax Christi, die Deutsche Friedensgesellschaft (DFG-VK) oder das Netzwerk Friedenskooperative fordern den Stopp jeder Art von militärischer Werbung und Rekrutierung bei Minderjährigen.

Diskussionsveranstaltungen, bei denen Soldaten, Friedenspädagogen, Kinderrechtler oder andere Experten mit älteren Schülerinnen und Schülern kontrovers diskutieren, können sinnvoll sein - denn die Schüler haben auch ein Recht auf Information. Die Veranstaltungen müssen aber für die Schüler freiwillig und für Eltern und andere Interessierte offen sein. Weitere strenge Standards zum Schutz der Jugendlichen vor einseitiger militärischer Werbung müssen eingehalten werden. terre des hommes hat dazu Musterleitlinien für Schulen entwickelt.

Unsere Forderungen

  • Die Anhebung des Rekrutierungsalters der Bundeswehr auf mindestens 18 Jahre!
  • Den Stopp jeder Art von militärischer Werbung bei Kindern und Jugendlichen!
  • Die Veröffentlichung des Alters von Soldaten und Soldatinnen, die von bundeswehrinternen Rechtsverletzungen wie sexuellem Missbrauch, entwürdigenden Aufnahmeritualen oder Mobbing betroffen sind oder die sich beim Training oder im Einsatz verletzen, traumatisiert werden oder zu Tode kommen.

Auch der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes in Genf und die Kinderkommission des Deutschen Bundestages fordert dies von der Bundesregierung.

Unterstützen Sie diese Forderungen mit der Unterzeichnung unsere Petition an die Verteidigungsministerin!

Werden Sie aktiv und setzen Sie sich mit der Kampagne »Unter 18 Nie! Keine Minderjährigen in der Bundeswehr« für ein Ende von Bundeswehrrekrutierung und -werbung bei Minderjährigen ein!

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